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Licht, Tauben, Jungfrau: Marienerscheinung in Kairo

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Kardinal Schönborn ist also mittlerweile zu seinem natürlich rein privaten Silvesterbesuch in Medjugorje eingetroffen, vermeldet das Nachrichtenportal kath.net.

Vielleicht sollte der Erzbischof besser gleich nach Ägypten weiterreisen – die Gottesmutter jedenfalls scheint den Jahreswechsel eher dort verbringen zu wollen. Genauer gesagt: auf dem Dach einer koptischen Kirche. In El Warak/Kairo bejubeln seit dem 10. Dezember allabendlich Tausende Gläubige eine pittoreske Illumination, die unerfindlicherweise als Jungfrau Maria gedeutet wird.

Seltsam, dass es von dieser Weltsensation bislang lediglich verwackelte Handy-Videos gibt. Dass die „Erscheinung“ vermutlich einer versteckten Lichtquelle entspringt, wird im Atheist Media Blog ausführlich diskutiert.

Ebenso seltsam, dass das hell strahlende Abbild der Himmelskönigin auffallend an die „Erscheinungen“ von Zeitoun im Jahr 1968 erinnert. Der Skeptical Inquirer zählt die damaligen Ereignisse in einem Vorort im Norden Kairos zu den großen Massenhysterien des 20. Jahrhunderts – was indes den koptischen Patriarchen Kyrillos VI. und seinen katholischen Amtskollegen, Patriarch Stephanus I., nicht davon abhielt, die „Erscheinungen“ offiziell als echt anzuerkennen.

Und auch diesmal hat der Kopten-Papst Shenouda III. flugs eine Stellungnahme abgegeben, die in ihrer eigentümlichen Verquastheit dennoch eindeutig ist:

„Die Themen, worüber das ganze Volk momentan spricht, sind das Licht, die Tauben, die Jungfrau Maria und die Erscheinungen in den letzten Tagen …

Diese drei Themen möchte ich heute mit euch besprechen. Wir leben in einer materiellen Welt auf der Erde. Es existiert aber eine andere, spirituelle Welt. Diese andere Welt nennt man die Welt des Lichtes, himmlische Bewohner oder himmlische Welt … Wir können auch Besuche von der anderen Welt empfangen. Und dieser Besuch ist auch ein Licht. Deswegen erscheint die Heilige Jungfrau als Lichtkörper, jedoch mit  einem klaren Aussehen. Die Tauben, die erscheinen, leuchten und entsprechen keinen natürlichen Tauben …

Diese Erscheinung kann niemand verleugnen, denn es waren mehrere Tausende von Menschen anwesend. Derjenige, der diese Erscheinung theoretisch verleugnet, vergisst die Menschen, die bei dieser Erscheinung dabei waren, welche sie mit eigenen Augen gesehen und bejubelt haben … Wir haben gestern permanent Anrufe wegen diesen Erscheinungen empfangen. ‚Da ist sie erschienen oder dort …In seltsamen Formen.‘

Die Visionen, ihr Geliebten, hängen vom Glauben ab. Der einfache Mensch, der nicht kompliziert ist, ist es würdig, so etwas zu sehen. Aber der komplizierte Mensch wird durch seine komplizierte Art daran gehindert, so etwas zu sehen.“

Aha. Ich muss gestehen, dass ich Seiner Heiligkeit Shenouda III., Papst von Alexandrien und Patriarch des Stuhles vom Heiligen Markus, zutiefst dankbar für diese Worte bin. Denn zum ersten Mal in meinem Leben verstehe ich, was dereinst Robert Musil in „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ über die Versuche seines jungen Protagonisten, Kant zu lesen, schrieb: „Wenn er gewissenhaft mit den Augen den Sätzen folgte, war ihm, als drehe eine alte knöcherne Hand ihm das Gehirn in Schraubenwindungen aus dem Kopfe.“

Genau! Dieses Empfinden hatte ich auch gerade.

Und so fragen wir uns in banger Erwartung, welche päpstliche Sprachgewalt erst über uns hereinbricht, wenn sich das Ganze als Schwindel oder Wahrnehmungstäuschung herausstellt? Bevor es aber soweit ist, führen wir uns besser erst einmal eine sachlich-nüchterne Stellungnahme zum Thema Marienerscheinungen des Schweizer Historikers Christian Ruch vor Augen:

Die neue Lust auf Privatoffenbarungen ist nicht nur Ausdruck von Endzeitängsten …, sondern auch Ausdruck eines anti-modernistisch motivierten Unbehagens traditionalistischer Kreise an der seit dem Zweiten Vaticanum weltoffeneren Kirche.“

So könnte man es auch formulieren.

3 Kommentare

  1. Dass sich die Menschen bei derartigen Behauptungen nicht seltsam vorkommen… Wie stünde man denn da, würde man behaupten, die Erde wäre eine Scheibe? o_O Naja, aber Marienerscheinung geht!

    Übrigens wäre es für die Leserlichkeit meines Erachtens sehr förderlich, wenn lange Zitate eingerückt, farblich unterlegt oder auf eine andere Art und Weise hervorgehoben würden.

    Jedenfalls wünsche ich den freundlichen Skeptikern der GWUP einen guten Start in das neue Jahr und vielen Dank für die tolle Aufklärungsarbeit!

  2. Tatsächlich scheint es wieder eine der vielen Marienerscheinungen zu sein von der Frau aller Völker. Das heisst, sie erscheint nicht nur Christen, sondern auch anderen Menschen … auch Atheisten. Wir können froh sein, dass wir so eine Mutter haben, die sich um unser Wohl sorgt.

    Ich wünsche Euch allen noch einen schönen Jahresanfang 2010.

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