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Rom Houben und die Gestützte Kommunikation

| 7 Kommentare

„Alles ist schon einmal gesagt worden, aber da niemand zuhört, muss man es immer von neuem sagen.“

Diese Sentenz ist vom französischen Literaturnobelpreisträger André Paul Guillaume Gide überliefert. Trifft aber auch prima auf die Skeptiker zu.

Facilitated Communication. Wieder einmal.

„This Cruel Farce Has To Stop!“ erregte sich James Randi auf seiner Homepage über den Humbug mit der „Gestützten Kommunikation“. In seinem aktuellen Artikel geht es um einen Fall, den auch Der Spiegel vor wenigen Tagen publik machte:

„Nach einem Autounfall dämmerte der Belgier Rom Houben vermeintlich im Wachkoma dahin. Mehr als zwei Jahrzehnte später kam heraus: Er war die ganze Zeit bei Bewusstsein …“

Journalistenfragen beantwortet Houben mithilfe einer Methode, die als „Gestützte Kommunikation einige Popularität erlangte. Was das genau ist, beschreibt Der Spiegel so:

„Wie haben Sie diese 23 Jahre überlebt, Monsieur Houben? Ein tiefes Knurren entweicht dem Mann im Rollstuhl, er scheint nachzudenken. Dann hurtiges Geklapper, ticketitack, Houbens rechter Zeigefinger huscht über die Tastatur, die an seiner Armlehne klemmt. Buchstabe auf Buchstabe erscheint: ‚Ich habe meditiert, ich habe mich weggeträumt‘, steht da geschrieben. ‚Und nennen Sie mich Rom.‘

Der Mann, der seiner Mitwelt verlorenging, lebt heute in einem hübschen Pflegeheim im belgischen Zolder. Noch immer ist er zu kaum einer Bewegung fähig, aber in seiner rechten Hand ist etwas Leben, das er nutzt: Mit Hilfe einer Sprachtherapeutin, die hinter ihm steht und seine Hand stützt, kann Rom auf einer Bildschirmtastatur schreiben.

Es klappert wieder, ticketitack: ‚Nie vergesse ich den Tag, an dem sie mich entdeckten, meine zweite Geburt.'“

Das klingt wunderbar – und selbstverständlich wünschen wir Rom Houben das Beste. Und doch verbirgt sich hinter dem „Ticketitack“ wohl wenig mehr als „simply a tragic farce“, wie Randi schreibt.

In Deutschland ist der Begriff „Gestützte Kommunikation“ untrennbar mit dem Namen Birger Sellin verbunden. 1995 hatte der autistische Schriftsteller einen aufsehenerregenden Auftritt bei Stern TV. In der Folgezeit berichtete auch DER SKEPTIKER über Facilitated Communication (FC). Durch FC sollen zum Beispiel autistisch behinderte Menschen in die Lage versetzt werden, auf verblüffende Weise mit ihrer Umwelt zu kommunizieren.

„Es besteht aber der begründete Verdacht, dass die dabei übermittelten Botschaften in Wirklichkeit gar nicht von den Autisten stammen, sondern vielmehr unbewusst von Helfern eingegeben werden“, erklärte Gina Green, Forschungsdirektorin am New England Center for Children in Southborough, Massachusetts, im Heft 2/1996.

Daraufhin setzte eine kontroverse Diskussion mit einer der bekanntesten Protagonistinnen von FC in Deutschland ein, zu der Gina Green abschließend noch einmal Stellung bezog – mit dem Kommentar: „Facilitated Communication – Nichts als unhaltbare Versprechungen.“

Ihre Hauptargumente kurz zusammengefasst:

  • „Mindestens 30 gut kontrollierte Studien wurden in angesehenen wissenschaftlichen Zeitschriften mit Gutachtersystem publiziert … In wiederholten Untersuchungen wurde immer wieder bestätigt: Wenn die Stützer die zu erwartende Botschaft nicht kannten, war die überwältigende Mehrzahl der Antworten falsch. Die meisten Helfer gaben jedoch an, dass sie ihren Einfluss nicht bemerkt hätten und der Meinung waren, dass die Behinderten selbst buchstabiert hätten …“
  • „Die klare wissenschaftliche Beweislage mit zunehmenden Belegen, dass FC schädliche Nebenwirkungen hat, veranlasste mehrere große Fachgesellschaften in den Vereinigten Staaten, Stellungnahmen zu veröffentlichen. Danach ist FC keine gültige oder zuverlässige Methode für die Anwendung bei Behinderten und sollte auch nicht als Grundlage für Entscheidungen dienen, die Behinderte betreffen.“
  • „Es gibt keine objektiv belegten Fälle von FC-Erfolgen, sondern nur anekdotische Berichte und Bezeugungen.“
  • „Wenn statt wissenschaftlich gesicherter Methoden FC verwendet wird, ist fast sicher, dass dem betreffenden Autisten die Möglichkeit verwehrt wird, selbst zu sprechen.“
  • „Bei FC besteht die Gefahr, dass autistische Menschen in ihrer Individualität nicht mehr ernst genommen werden.“

An dieser Einschätzung hat sich bis heute nichts geändert. James Randi weist in seinen Ausführungen darauf hin, dass „Gestützte Kommunikation“ als ein Spezialfall des Carpenter-Effekts und des Kluger-Hans-Effekts anzusehen ist und mit echter „Kommunikation“ nichts zu tun hat:

„This FC claim is simply untrue, a farce, a lie.“

Gina Green formulierte es damals so:

„Solche Behauptungen sind problematisch, weil sie eine stark ausgeprägte menschliche Neigung verstärken, die Dinge so zu sehen, wie wir sie uns wünschen, ohne dabei eingehend und objektiv nach anderen Erklärungen zu suchen. Leider hat uns die Erfahrung wiederholt gezeigt, dass viele Phänomene, von denen Menschen sehnlichst wünschten, dass sie wahr sein mögen, sich nicht als das erwiesen, was sie schienen. FC ist ein solches Phänomen.“

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7 Kommentare

  1. Okay, das ist interessant, wusste ich bis jetzt auch nicht.

    Aber diese Kommunikationssysteme für Locked-In-Patienten die über Augenbewegung gesteuert werden, die sind schon koscher, oder? Weil das ja der Patient selbst ohne Hilfe steuert normalerweise, oder?

    Man lernt nie aus…

  2. Rom Houben
    ich habe das Video im Youtube gesehen. Die Helferin hat nicht nur Roms Hand gestützt, sie hat seine Hand richtig festgehlten. Ihr Daum drückte so fest in Roms Hand, das es die Haut eindrückte und faltete. Auf diese Weise kann Rom gar nicht selber auswählen, welchen Buchstaben er drückt. Ich wünschte, er könnte es, aber so wie im Film kann er es nicht.

  3. Su, ja die schon, denn da ist ja keine weitere Person involviert. Stephen Hawking zb steuert seine Sprechmaschine mit einem Gesichtsmuskel.

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