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Cold Reading mit James Bond

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Freund oder Feind?
Wer meint es ehrlich, wer spielt unserem Superagenten etwas vor?
Seine erstaunliche Fähigkeit zu Blitzurteilen demonstriert der Agent Ihrer Majestät auch heute Abend in „Casino Royale“ – wo ihm allerdings die Finanzbeamtin Vesper Lynd nicht nachsteht. Während einer Zugfahrt nach Montenegro entspinnt sich folgender Dialog:

Bond: „Dann wissen Sie ja Bescheid. Man spielt beim Poker nicht seine Karten aus. Man spielt sein Gegenüber aus.“

Vesper: „Und Sie sind gut im Lesen von Menschen?“

Bond. „Ziemlich. Deshalb bin ich auch imstande, in Ihrer Stimme einen unterschwelligen Sarkasmus auszumachen.“

Vesper: „Jetzt bin ich mir sicher, dass mein Geld in guten Händen ist.“

Bond: „Sie halten es für keinen guten Plan, oder?“

Vesper: „Ach, es gibt einen? Ich hatte die Befürchtung, dass wir Millionen von Dollar und Hunderte von Leben in einem Glücksspiel riskieren. Was haben Sie sonst für Mutmaßungen, Mr. Bond?“

Bond: „Über Sie, Miss Lynd? Ihre Schönheit ist ein Problem. Sie befürchten, dass man Sie nicht ernst nimmt.“

Vesper: „So wie jede attraktive Frau, die halbwegs bei Verstand ist.“

Bond: „Stimmt, aber diese versucht es mehr als wett zu machen, indem sie maskuline Kleidung trägt. Aggressiver agiert als ihre Kolleginnen. Sie wirkt deshalb in bisschen verbissen. Und paradoxerweise mindert das ihre Chancen, von ihren männlichen Vorgesetzten akzeptiert und befördert zu werden, die ihre Unsicherheit als Arroganz fehldeuten. Ich hätte normalerweise auf Einzelkind getippt – nur, wie Sie kleine Sprüche über Ihre Eltern übergehen, komme ich zwangsläufig auf Heimkind.“

Vesper: „Na schön. Ihrem Anzug nach waren Sie in Oxford. Oder sonst wo. Und glauben wirklich, Menschen würden sich so kleiden. Aber sie tragen ihn mit einer solchen Verachtung, dass ich vermute, Sie kommen nicht aus reichen Verhältnissen. Das haben Ihre Studienfreunde Sie immer spüren lassen. Was bedeutet, dass Sie Ihr Studium bloß der Mildtätigkeit Dritter verdanken. Daher Ihr Minderwertigkeitsgefühl. Und da Ihre Einschätzung meiner Person auf Heimkind hinausläuft, vermute ich, Sie sind selbst eines.
Oh, es ist wahr? Und es erscheint mir absolut schlüssig.
Denn der MI6 sucht labile junge Männer ohne soziale Bindungen, die andere über die Klinge springen lassen, ohne nachzudenken. Um Krone und Vaterland zu schützen. Sie wissen schon: Ehemalige SAS-Typen mit schlichtem Lächeln und kostspieligen Uhren. Rolex?“

Bond: „Omega.“

Vesper: „Wunderschön.“

Wären wir nicht in einem Bond-Film, sondern bei „Akte X“ oder „Heroes“ oder bei einer Wahrsagerin auf der Esoterik-Messe, könnte man diese tiefe Einsichtnahme in die Persönlichkeit eines anderen Menschen fast für übersinnlich halten. Und tatsächlich haben sich der Geheimagent und die Mitarbeiterin des britischen Schatzamtes wohl eine Technik angeeignet, mit der auch „Hellseher“ und „Wahrsager“ ihre Klienten verblüffen – ohne wirklich paranormale Kräfte zu besitzen.

„Und Sie sind gut im Lesen von Menschen?“, will Vesper von Bond wissen. Diese ungewohnte Formulierung spielt auf das so genannte Cold Reading an, was wörtlich übersetzt „Kaltes Lesen“ heißt.
Cold Reading hat nur am Rande etwas mit Menschenkenntnis in dem Sinne zu tun, wie Zeitschriften und populäre Bücher sie uns lehren möchten. Entsprechende Artikel heißen dann „Durchschauen Sie Ihre Kollegen?“ oder „So lernen Sie, Ihre Mitmenschen richtig einzuschätzen.“

Ein Geheimagent (oder eine Wahrsagerin, ein Hellseher etc.) aber muss viel besser sein. Er muss sein Gegenüber nicht nur einschätzen können, sondern auch dessen wahres Ich herauskitzeln. Er muss sich beliebt machen können, überlegen und zugleich vertrauenswürdig wirken. Er muss andere manipulieren, sie dazu bringen, sich ihm zu öffnen, von sich zu erzählen, Geheimnisse preiszugeben.
Das erreicht man mit Cold Reading. Dahinter verbirgt sich die Kunst, Fremde davon zu überzeugen, dass man alles über sie weiß – ohne sie je gesehen oder sich zuvor über sie informiert zu haben.
Entwickelt wurde Cold Reading von Psychologen, professionalisiert von berufsmäßigen „Medien“, Mentalmagiern und Täuschungskünstlern. Aus diesem Grund ist außer in einschlägigen Fachkreisen kaum etwas über Cold Reading bekannt.

Möchten Sie mehr darüber wissen? Bestellen sie die Skeptiker-Ausgabe 1/2007 bei Ihren freundlichen Skeptikern von der GWUP.

Zum Weiterlesen:

  • Bernd Harder: Der Bond-Appeal: 007 – Alles über den Spion, den wir lieben. Droemer Knaur 2008.
  • Angelo Stagnaro: Ex Nihil. Eine Anleitung zum modernen Cold Reading.

3 Kommentare

  1. Die Zauberfachzeitschrift „Aladin“ aus Österreich hat in der aktuellen Ausgabe ein ganz besonders interessantes Titelthema:

    „Mentalmagie am Wendepunkt“

    Im Newsletter ist zu lesen (Auszug):

    „Die Mentalmagie entfernt sich immer mehr von der Zauberkunst und findet manch seltsame Präsentationsformen.

    Körpersprachenspezialisten, Psycholozauberer und Lebensberater nutzen die Mentalmagie um scheinbar zu beweisen, dass alles mit rechten Dingen zugeht.

    Solange sie sich dabei Tricktechniken bedienen, handelt es sich dabei schlicht um Humbug.

    Die Magischen Zirkeln haben offenbar kapituliert. Anders ist es nicht erklärbar, dass sie tatenlos zusehen, wie Scharlatanerie um sich greift. Oder doch nicht?

    Im Spezialthema des Heftes Aldadin 02 geht es genau um diese Strömungen und wie Betroffene damit umgehen. Wir hören beide Seiten. Bilden Sie sich dabei selbst ein Urteil.“

    Das Heft erscheint in den nächsten Tagen, ich bin sehr gespannt…

    http://www.mra.at/wordpress/

  2. @trixi
    Ich glaube hier soll gesagt werden, daß Lebensberater (Betrüger) die Mentalmagie benutzen, um zu beweisen, daß alles mit rechten Dingen zugeht, dh sie verwenden die „Tricks“, um die Klienten dahingehend zu manipulieren, daß sie das Ganze für wahr halten…das halte ich auch für gefährlich.

  3. @ trixi/Ralf
    Die Zeilen stammen nicht von mir, sondern sind der Originaltext des Newsletters.

    Bin gerade aufgestanden und habe heute mal wieder „volles Programm“ und leider keine Zeit, zu erklären (was damit konkret gemeint ist.) Bin momentan echt im Stress.

    Vielleicht schaffe ich am Sonntag, kurz darauf einzugehen.

    Ich bitte um Verständnis!

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