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Müssen sich Astronomen mit der Astrologie beschäftigen?

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Am Freitag war ich zu Gast bei der Robert-Mayer-Volks- und Schulsternwarte Heilbronn e.V. und hielt einen kritischen Vortrag über Astrologie. Ich brauche in diesem Forum nicht detailliert darauf einzugehen, dass Astrologie nur durch psychologische Effekte wie die Täuschung durch persönliche Validierung (vulgo Barnum-Effekt) „funktioniert“ und sie selbstverständlich jeder empirischen Grundlage entbehrt. Wer sich mit kritischen Argumenten „bewaffnen“ möchte und über die zahlreichen wissenschaftlichen Studien lesen möchte, die zur Astrologie durchgeführt worden sind (und alle negativ ausgegangen sind), der findet auf der Astrologie-Themenseite weitere Informationen und Hinweise auf Neuentwicklungen in diesem Feld — Astrologen sind, das muss man ihnen lassen, sehr einfallsreich, was das Ausdenken neuer „Geschäftsbereiche“ angeht…

Hier will ich aber darüber sinnieren, wie sinnvoll es eigentlich überhaupt ist, sich mit Astrologie zu beschäftigen. Sollen sich Wissenschaftler mit dieser geistigen Ballast beladen? Wäre es nicht besser, wenn sie die Zeit nutzten, an ihrer Forschung zu arbeiten und diese auch der Öffentlichkeit spannend darzustellen? Genügt es, in der Öffentlichkeit ausreichend Begeisterung für die Astronomie zu schaffen, damit Zeitungsleser lieber den Bericht über den aktuellen Sternenhimmel als ihr Horoskop lesen? (1) Wieviele „Häuser der Astronomie“ muss man bauen, bis Leute nicht mehr in Scharen zu Astrologen rennen und dort weit mehr Geld lassen (2), als sie durch Steuermittel für die Astronomie bezahlen?

Ich bin der Ansicht, dass es — leider — nicht genügt die Astronomie zu bewerben, sondern dass es notwendig ist, dass sich zumindest einige Wissenschaftler auch mit den so genannten Parawissenschaften beschäftigen, also beispielsweise der Astrologie, und diese kritisieren. Diese Beschäftigung muss natürlich in sehr engen Grenzen bleiben und darf nicht die eigentliche Forschung blockieren. Sie ist aber notwendig, damit nicht einige wenige „akademische Aussteiger“, also Doktoren und Professoren meist fremder Disziplinen (3), durch ihre Titel der Astrologie Glaubwürdigkeit verschaffen, die sie nicht verdient hat. Es müssen wenigstens ein paar wissenschaftliche Berufs- und Hobby-Astronomen genügend Kenntnisse der kritischen Studien zur Astrologie haben, um jedwedem Verdacht, der große Umsatz mit Horoskopen sei gerechtfertigt, entgegen zu treten. Zusammen mit einer Faszination für die wirklich beeindruckenden, da tatsächlich existierenden, Dinge des Universums ist das die Grundlage, um mehr Interesse und Begeisterung für unser modernes astronomisches Weltbild zu erhalten.

(1) Im Jahr 2001 beantworteten fast 80% der Bundesbürger die Frage „Lesen Sie manchmal in dne Zeitungen oder Zeitschriften Ihr Horoskop“ mit Ja. Quelle. Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage unter etwa 7000 Personen, September/Oktober 2001.

(2) Ein „Partnerschaftsvergleich“ von astro-zentrum.de kostet derzeit beispielsweise 130 €. Jeder Bundesbürger zahlt durch seine Steuern im Schnitt 2,75 € für astornomische Forschung (Stand: 2000; Quelle: DFG-Denkschrift „Status und Perspektiven der Astronomie in Deutschland 2003-2016“) Die gesamte finanzielle Förderung der Astronomie in Deutschland beträgt demnach 226 Millionen Euro.

(3) In Frankreich hätten es Astrologen allerdings einmal beinahe geschafft, einer der bekanntesten Astrologinnen des Landes, Madame Tessier, einen Doktortitel für ihre „Forschungen“ zu verleihen.

(3) In Frankreich hatte es die Astrologin Elizabeth Tessier gar geschafft, für eine Arbeit, die eine später eingesetzte Expertenkomission als „Eine Mischung aus Kauderwelsch, Absurditäten und Unwahrheiten“ beschrieben hat, einen Doktortitel in Soziologie zu erhalten.

Dieser Artikel ist auch in den Kosmologs erschienen.

13 Kommentare

  1. Fußnote (3) ist leider unrichtig. Die von Mitterand protegierte Astrologin „Madame Tessier“ hat ihren Doktor 2001 nicht nur beinahe sondern tatsächlich erhalten – sogar von der Sorbonne! Offiziell war ihr Fach die Soziologie, was für diese natürlich ein Armutszeugnis darstellt. Aber kein Wunder, siehe Sokal-Affäre…
    http://www.wsws.org/de/2001/sep2001/teis-s27.shtml

  2. Danke für den Hinweis, habe ich sogleich korrigiert!

  3. Dasselbe Problem besteht ja auch in der Medizin. In einer Podiumsdiskussion zum Thema Impfen, wo ein Professor der Infektiologie, eine Behördenärztin und ein homöopathischer Arzt eingeladen wurden. Der Homöopath war nicht prinzipiell gegen Impfen, aber er befand, dass für das Kind gut ist, wenn es Kinderkranheiten durchmacht. Der Verlauf könne mit Homöopathie unterstützt werden. Am Ende der Podiumsdiskussion konnte das Publikum fragen stellen und ich nahm die Gelegenheit wahr, zu erwähnen, dass die Wirkung der Homöopathie nicht bewiesen sei. Worauf der Moderator den Infektiologen fragte, was seine Meinung sei und er erwiderte, dass was er sicher sagen könne, sei, dass die Impfung sicher wirke.

    Obwohl er selber nicht an Homöopathie glaubt, wollte er sich mit einer klaren Aussage gegen die Homöopathie nicht exponieren. Ich frage mich heute noch, warum das der Fall ist. Im komplementärmedizinischen Bereich ist bei uns, in der Schweiz, Beda Stadler, ein Immunologie-Professor der Uni Bern, der einzige, der sich exponiert.

  4. … und zum Werk von Frau Hanselmann (ein Teil der Doktorarbeit ist mit diesem Namen überschrieben …) gibt es eine schöne Kritik hier.

  5. in Österreich haben es die Astrologen sogar als eigene Berufsgruppe in die Wirtschaftskammer geschafft, die Leiterin der Wiener Kammer war sich nicht zu blöde bei der Eröffnung Grussworte zu sprechen, auch
    der ehemaliger Politiker K. hat sich zu diesen Schwachsinn öffentlich bekannt.

  6. Zur Eingagnsfrage: aber selbstverständlich!

    „Wer den Feind umarmt, macht ihn bewegungsunfähig.“

    Und hier liegt auch das Problem: Forscher und Wissenschaftler aller Fachgebiete sitzen in ihrem „Schneckenhaus“ und erigieren sich an ihrer Arbeit, satt den Dialog nach außen zu pflegen und zu erweitern. Damit geben sie der Para-Eso-Indoktrination noch mehr Raum und degradieren Angagierte an der Schnittstelle zur interessierten Öffentlichkeit, wie Ranga Yogeshwar oder Prof. Dr. Harald Lesch, zu einsamen Kämpfern auf weiter Flur.

    Darum halte ich es durchaus für sinnvoll, den „Feind“ mit Wissen und Erkenntnis einzuhüllen, die durch Experten der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Denn man muß auch seine Feinde kennen, um sie zu besiegen!

  7. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass sich Forscher und Wissenschaftler vermehrt mit dem Thema befassen sollten, um die Öffentlichkeit besser aufzuklären.

    80% der Bundesbürger lesen Horoskope? Erschreckend!

  8. Schlimm genug das so viele vernünftige Leute trotzdem diesen Unsinn lesen, viel schlimmer wiegt die Tatsache, das auch jeder zweite Leser ernsthaft glaubt, dass die Sterne sein Schicksal beeinflussen!

    96% der Bürger kennen ihr Sternzeichen mehr als ihre Blutgruppe, die Hälfte von denen kann jedoch nicht erklären, warum uns der Mond immer die selbe Seite zuwendet.

    Wenn das allein nicht schon ein Grund ist?

  9. … und ganz aktuell:

    Die Astrologieausbildung einer Frau Fritsch aus Hamburg darf jetzt mit Bildungsgutscheinen von der Bundesanstalt für Arbeit finanziert werden. Der Text aus astrologie-ausbildung.eu/ dazu:

    „Zudem wurden alle Lehrgänge im Verzeichnis ‚KURSNET‘ der Bundesagentur für Arbeit aufgenommen, Bildungsanbieter-ID: 54014, Kurs-Id: 2665581/1155557. Ab sofort werden alle unsere Fernlehrgänge von der Bundesagentur für Arbeit durch Bildungsgutscheine zu 100 Prozent gefördert! (Zertifikat-Nummer: 800809) Dies bedeutet für Arbeitslose (Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB II und -III) oder Menschen, die von Arbeitslosigkeit bedroht werden, dass eine 100%-ige Kostenübernahme Ihrer Ausbildung über uns möglich ist.“

    Das ist nun wirklich ein Skandal!

  10. 80% lesen Horoskope, immer noch besser, als Wirtschaftsprognosen….

  11. … und heute ist der Hinweis auf die Zertifikat-Nummer und den möglichen Einsatz von Bildungsgutscheinen auf der Seite astrologie-ausbildung.eu wieder verschwunden. Jetzt klingt das Ganze wieder etwas anders:

    „Wir erfüllen akutell den ersten Step (Zertifizierung des Bildungsträgers). Der zweite Step ist beantragt und das Verfahren läuft.“

    Frau Fritsch hat also ihre Behauptung, ihre Kurse würden über Bildungsgutscheine zu 100% gefördert, erstmal zurückgenommen. Klang es gestern – mit Angabe der Zertifizierungsnummer!!! – so, als wäre bereits alles in trockenen Tüchern, so ist der „2. Step“ jetzt nur noch beantragt. Der gestrige Hinweis auf ihrer Webseite war also schlicht und einfach falsch und über ihre Beweggründe für eine solche falsche Aussage möchte ich hier nicht spekulieren.

    Jetzt bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung über diesen Antrag ausfällt …

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