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Entzaubert: „Bibelcode“ mit Cosma Shiva Hagen

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Am 1. September startet ProSieben den zweiteiligen TV-Film „Der Bibelcode„: ein „Mystery-Abenteuer-Event“ sei das, so die vollmundig geschwurbelte Ansage des Senders, der uns Anfang des Jahres auch den selbsternannten „Mystifier“ Uri Geller und seine Psi-Gauklertruppe ins Wohnzimmer gestrahlt hat. Der kurze Geller-Hype in Blogs & Medien ist längst wieder verpufft. Jetzt ziehen die Privatfunker aus Unterföhring mit „Der Bibelcode“ den nächsten alten Hut aus der Mottenkiste.

Der Plot von „Der Bibelcode“: Eine junge Polizistin (Cosma Shiva Hagen, laut „Bunte“-Lesern immerhin die schönste Frau Deutschlands, laut Stammbaum Tochter von dieser Dame hier) will den Mord an ihrem Vater aufklären, einem Bibelforscher. Dabei stolpert sie mitten in eine vatikanische Verschwörung, wird selbst zur Gehetzten, findet einen Mitstreiter im Assistenten (Olivier Sitruk) ihres Vaters, legt sich mit einem fiesen Kardinal an (James Faulkner), der den netten Papst (Joachim „Blacky“ Fuchsberger) meucheln will, und jagt zudem dem Rätsel des Bibel-Codes hinterher, dessen Prophezeiungen ihr einen ganz besonderen Part bei Rettung des Pontifex zugesprochen haben …

Das Unterhaltungs-Portal monstersandcritics.de urteilt in seiner Kritik über „Der Bibelcode“:

Viele gute Ansätze sind vorhanden, werden jedoch nicht zu Ende gedacht, sondern meist in Klischees verpackt und zur Seite gelegt. Der Film pendelt so lange zwischen Biowaffendrama und Religionsthriller, bis der Zuschauer gar nicht mehr weiß, in welche Richtung es nun gehen soll. Umso verblüffender ist, dass man die Handlung trotz aller Unübersichtlichkeit dennoch voraussehen kann. Auch ohne Bibelcode.“

Okay, also wieder einmal ein vermutlich müder Streifen aus der ProSieben-Mystik-Entertainment-Event-Fast-Food-Küche – doch was ist jetzt dran am Bibel-Code?! ProSieben lässt seine Zuschauer mit dieser Frage bisher allein im Märchenwald stehen; wahrscheinlich will man der fiktiven Geschichte nicht den letzten Spannungsrest herausprügeln, indem man die nüchterne Realitätskeule ansetzt. Doch die Fragen werden kommen.

Wir sprachen deshalb mit dem Informatiker und Kryptografie-Experten Klaus Schmeh über den Mythos „Bibel-Code“. Schmeh ist Autor verschiedener Publikationen über Codes und zudem Mitglied in der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), der größten und ältesten Skeptiker-Organisation im deutschsprachigen Raum.

Klaus, vor zehn Jahren sorgte der Schriftsteller Michael Drosnin für einige Schlagzeilen: Er wollte in der Bibel einen geheimen Code gefunden haben, der wichtige Ereignisse der Weltgeschichte vorhersagt. Wie funktioniert dieser Bibel-Code?

Klaus Schmeh: Drosnin nahm beispielsweise jeden dritten, jeden zehnten oder jeden hundertsten Buchstaben der Bibel und bildete daraus lange Buchstabenreihen. Ab und zu fanden sich darin sinnvolle Wörter, die Drosnin nicht als Zufall, sondern als absichtlich eingeschmuggelten Code interpretierte.

Was sagen Fachleute zu diesem Thema?

Klaus Schmeh: Bibel- und Statistik-Experten hatten für den „Bibel-Code“ bisher kaum mehr als Spott übrig. Doch so mancher Laie ließ sich leider davon überzeugen. So wurde Drosnins 1997 erschienenes Buch „Der Bibel-Code“ zu einem Weltbestseller. Allerdings ist bekannt, dass Verkaufszahlen nichts über das wissenschaftliche Niveau eines Sachbuchs aussagen. Dies zeigen nicht zuletzt die Erfolge von Erich von Däniken.

Zwei Drittel der evangelischen und katholischen Kirchenmitglieder in Deutschland können keinen einzigen Bibelvers aufsagen, hat vor kurzem das Meinungsforschungsinstitut Enigma festgestellt. Wieso interessieren sich die Leute dennoch für den Bibel-Code?

Klaus Schmeh: Geheime Codes üben auf viele Menschen eine große Faszination aus – auf mich übrigens auch. Der Gedanke, dass ausgerechnet das Buch der Bücher einen wissenschaftlich nicht fassbaren Code enthält, scheint wohl besonders attraktiv zu sein.

Der „Bibel-Code“ geht im Grunde auf die jüdische Geheimlehre der Kabbala zurück. Steht im Bibel-Code auch etwas über Madonna drin?

Klaus Schmeh: Wenn man lange genug sucht, findet man in der Bibel mit Sicherheit auch einen Code, der etwas über Madonna erzählt. Mit der von Drosnin verwendeten Methode findet man so ziemlich alles.

Wie groß ist heute das Interesse am Bibel-Code?

Klaus Schmeh: Elf Jahre nach Erscheinen des Buchs von Drosnin ist das Interesse am Bibel-Code längst nicht mehr so groß wie in der Anfangszeit. Unter Fachleuten gilt das Thema ohnehin als Unfug. Drosnins Nachfolgebuch „Der Bibel-Code II“ verkaufte sich vergleichsweise schlecht, und der darin angekündigte „atomare Holocaust“ für das Jahr 2006 traf nicht ein. Dosnins seit Jahren angekündiges drittes Buch zum Thema ist immer noch nicht erschienen. Anscheinend geht es dem Bibel-Code wie den Kornkreisen: Die Sache läuft sich irgendwann tot.

Und wie hat sich Drosnin herausgeredet, als der von ihm vorhergesagte Weltuntergang nicht eingetroffen ist?

Klaus Schmeh: Bisher ist mir keine Stellungnahme bekannt. Ich gehe aber davon aus, dass sein nächstes Buch eine Antwort parat haben wird. Diese wird sich voraussichtlich auf eine Hintertür beziehen, die sich Drosnin offengelassen hat. Er hat behauptet, dass die Vorhersage nicht zwingend eintritt, sondern dass die Menschheit noch die Möglichkeit hat, gegenzusteuern. Vermutlich hat die Menschheit am Ende doch noch etwas bewerkstelligt, was den Weltuntergang hat ausfallen lassen.

War die Idee des Bibel-Codes neu?

Klaus Schmeh: Eindeutig nein. Michael Drosnins Buch bezieht sich auf Arbeiten des Mathematikers Eliyahu Rips. Allerdings verschweigt Drosnin, dass sein spektakulärer Code mit den deutlich wissenschaftlicheren Arbeiten Rips‘ kaum etwas zu tun hat. Rips hat sich deshalb von Drosnin distanziert. Versteckte Botschaften wollen findige Code-Sucher auch schon bei William Shakespeare, Johann Sebastian Bach, im Voynich-Manuskript und in den ägyptischen Pyramiden gefunden haben – um nur die wichtigsten Beispiele zu nennen. Der Bibel-Code ist also nur einer von vielen pseudowissenschaftlichen Codes und bestimmt nicht der älteste.

Sobald ProSieben „Der Bibel-Code“ sendet, könnte das eingeschlafene Interesse am Thema wieder aufleben. Was hältst du davon?

Klaus Schmeh: Der Inhalt dürfte mit Drosnins Theorie zu tun haben, es handelt sich allerdings nicht um die Verfilmung einer realen Geschichte. Natürlich spricht nichts dagegen, ein solches Thema literarisch zu verarbeiten. Nicht nur der Bestseller „Sakrileg“ von Dan Brown zeigt jedoch, dass allzu viele Leser bzw. Zuschauer fiktive Theorien für bare Münze nehmen. Ich rate daher dazu, den Bibel-Code-Film als das zu nehmen, was er ist: ein Thriller, der keinen Anspruch darauf erhebt, eine wahre Geschichte zu erzählen.

Wo kann man sich seriös über den Bibel-Code informieren?

Klaus Schmeh: Auf der GWUP-Website gibt’s hier einen Überblick, darüber hinaus empfehle ich meinen Artikel „Gibt es versteckte Botschaften in der Bibel?“ im SKEPTIKER, Ausgabe 3/2006.

Codes und versteckte Botschaften sind ein faszinierendes Thema. Wie kann man sich damit beschäftigen, ohne pseudowissenschaftlichen Theorien wie dem Bibel-Code hinterher zu rennen?

Klaus Schmeh: Dazu gibt es viele Möglichkeiten. Das bisher unentschlüsselte Voynich-Manuskript ist beispielsweise viel interessanter als der (nicht existierende) Bibel-Code. Es gibt weitere historische Code-Rätsel, wie die Dorabella-Chiffre oder die Shugborough-Hall-Inschrift. Wer sich erst einmal mit echten Codes beschäftigt, wird den Bibel-Code vermutlich schnell langweilig finden.

Links zum Thema:

Autor: Stefan Kirsch

Stefan Kirsch: Diplom-Germanist und Redakteur, aktiv in der GWUP seit 2000. Studium der Germanistik, Journalistik, Philosophie und Psychologie an der Universität Bamberg, Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband (djv). Beruflich ist er in der Unternehmenskommunikation eines deutschen Technologie-Konzerns tätig.

17 Kommentare

  1. Klaus, weißt du näheres darüber, wie die Diskussion zwischen Rips/Witztum und McKay seit 1999 weitergegangen ist? Meines Wissens gab es sogar eine kommissionelle Untersuchung unter Leitung des späteren Nobelpreisträgers Bob Aumann, die aber mehr oder weniger unentschieden ausging.

  2. Bob Aumann wollte sich nicht eindeutig festlegen, bezeichnete die Existenz des Codes von Rips aber als „unwahrscheinlich“. 2003 produzierte die BBC eine Reportage, in deren Rahmen eine Wiederholung des Rips-Witztum-Versuchs durchgeführt wurde. Das Signifikanzniveau lag dieses Mal nur zwischen 0,3 und 0,5, nicht mehr bei den ursprünglichen 0,00002.

    Inzwischen gibt es von Rips eine weitere Veröffentlichung. Er behauptet nun, dass in der Bibel ein Code enthalten sei, der Hinweise auf die Terroranschläge von 2001 enthält (bis dahin hatten sich Rips‘ Code-Funde nur auf die Namen und Lebensdaten prominenter Juden bezogen). Da das Interesse am Bibel-Code inzwischen generell nachgelassen hat, gab es bisher kaum Reaktionen auf den neuen Rips-Code. Auffällig ist, dass es für die Code-Suche erneut zahlreiche Stellschrauben gibt, die sich auf ein möglichst spektakuläres Ergebnis optimieren lassen.

  3. hallo skeptiker! ihr seid mit dieser meldung und ein paar o-tönen vom herrn schmeh jetzt auch im medienmagazin pro, überschrift „pro7 zeigt umstrittenen film ‚der bibelcode‘„. wusste gar nicht, dass der film jetzt gleich „umstritten“ ist, nur weil ihr ihn ein bisschen kritisiert habt ;-) ich schau ihn mir wahrscheinlich trotzdem an, kann ja trotzdem spannend sein, auch wenn hinten und vorne nix dran ist und der bibelcode reine erfindung von drosnan. die moby-dick-sache in dem video ist auch echt spitze. ihr habt echt irre und komische themen hier! ;-) macht weiter so! lg, hannah

  4. @ hannah82: Vielen Dank für den Hinweis und die netten Worte. ;-) Wir haben den Bibelcode-Film mit Cosma Shiva Hagen nicht nur hier im Blog aufgegriffen, sondern auch in zwei weiteren Meldungen, die wir u.a. über openPR.de abgesetzt haben, siehe hier: „Bibel-Code als Spielfilm: GWUP-Experte ruft dazu auf, Realität und Fiktion nicht zu vermischen“ oder hier: „Bibel-Code als Spielfilm„.

    Den Film deshalb gleich „umstritten“ zu nennen, ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber nicht ganz unwahr.

    Der Bibelcode von Michael Drosnin dagegen – also das Buch, die Behauptung – ist ein ganz alter Hut und längst widerlegt worden: Er hatte seine Kritiker aufgefordert, die Prophezeiungen, die er in der Bibel fand, doch auch in „Moby Dick“ zu finden … und sie taten es!

    Achja, er heißt Michael Drosnin und nicht Drosnan, wie ProSieben in seiner Pressemeldung zum Bibelcode-Film behauptet. Da haben die Werbeschreiber des Senders schlicht geschlampt. ;-)

  5. Aaaah, ein Bibelcode!!!! Wieder einmal!!!!

  6. Aktueller Nachtrag zur Filmkritik „Der Bibelcode“ mit Cosma Shiva Hagen. Da ätzt heute beispielsweise stern.de unter der Überschrift „Die heilige Johanna von ProSieben„:

    „Nun sind Abenteuerfilme aber eh selten für ihre Nachvollziehbarkeit bekannt, sondern eher für ihren Witz, ihre Spannung und die Kunst, den Zuschauer zu fesseln. Der ‚Bibelcode‘ allerdings hat nichts davon: Es gibt nichts zu Lachen, keine Szene, in der man mitbangen mag, und dass Cosma Shiva Hagen jemanden zum Knutschen findet, ist jetzt auch nicht unbedingt eine Sensation. Ständig wird angedeutet, gerätselt, geflohen, und zum Schluss ist es eigentlich schon egal, wie das alles ausgeht.“

    Und tagesspiegel.de fragt sich im Artikel „Gegen Feuer und Schwert„:

    „Schlüssel, Prophezeiungen, die Bibel? Was macht religöse Themen so interessant fürs Unterhaltungsfernsehen, und warum haben die Sender beim Publikum damit solchen Erfolg? Hat es damit zu tun, dass sich immer mehr Menschen der Kirche und dem Glauben zuwenden oder lassen sich solche Stoffe so fantasievoll umsetzen, weil man dem unwissenden Publikum fast alles verkaufen kann?“

    Dagegen urteilt Spiegel Online – eigentlich bekannt für ungeschminkte Verrisse – noch relativ versöhnlich. Peter Luley schreibt dort im Artikel „Cosma Shiva riskiert ’ne dicke Lippe„:

    „Wirklich ernst nehmen kann man das Geschehen nicht – aber das verlangt ja Gott sei dank auch keiner. Im Fall der 27-jährigen Hauptdarstellerin mag man sich sogar einbilden, sie gelegentlich ganz leicht grinsen zu sehen, und ein paar sportlich-ironische Dialoge hat man ihr auch gestattet. […] So transportiert sie auf subtile Weise die einzige Haltung, mit der sich der Film goutieren lässt: Freude am Trash, und bloß nicht zu hoch hängen, das Ganze.“

    Heute Abend, wenn der erste Teil gelaufen ist, wissen wir mehr.

  7. Der erste Teil des Zweiteilers ist gerade zu Ende, jetzt zeigt Pro7 eine Dokumentation zum Thema. Die Redaktion hat im Rahmen ihrer Recherchen bei uns Skeptikern angefragt und sich ein paar Sachen erklären lassen. In der Doku kommen wir dann aber nicht vor. Offensichtlich war denen unsere Meinung zu unspektakulär.

  8. @ Klaus Schmeh: Manchmal sind die Tatsachen vielleicht nicht ganz so spektakulär wie das Wunschdenken von Regisseuren und die Erfindungen von geschäftstüchtigen Autoren, aber das macht sie nicht weniger interessant: Mit unserem Artikel zum Bibelcode haben wir heute einen neuen Besucherrekord im GWUP-Weblog aufgestellt … und zwar weil wir zu den Wenigen gehören, die das Thema sowohl schnell als auch kritisch und kompetent aufgegriffen haben! Wir haben den Trend rechtzeitig erkannt und sofort skeptische Infos aufbereitet – vor allem mit deiner Hilfe, Klaus! (Ich glaube, so viel öffentliches Eigenlob ist ausnahmsweise erlaubt. ;-))

  9. Ich finde es etwas merkwürdig, daß man in Deutschland alle Telefonverbindungen und Emails protokolliert, um den Terrorismus zu bekämpfen. Offenbar stehen doch alle noch kommenden Terroranschläge bereits in der Bibel. Da ist irgendwas nicht bis zu Ende gedacht …

  10. Für mich ist ganz besonders interessant, dass das Vorstellungsvermögen der Menschen immer nur so weit reicht, wie es die technischen Möglichkeiten auf der Erde hergeben. Seit man fliegen bzw. in den Weltraum gelangen kann, denkt die Menschheit über Außerirdische nach. Vorher scheint das kein überlegenswerter Punkt gewesen zu sein, zumindest liest man im Mittelalter wenig über Außerirdische …

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