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Dreklser & Balder: „Das ist doch alles Bullshit!“

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„Wunschbestellungen ans Universum“ sind ein Esoterik-Supertrend. Doch hinter den Verheißungen von Bestseller-Autoren wie Bärbel Mohr oder Rhonda Byrne verbirgt sich wenig mehr als „Bullshit“ – schreiben die TV-Produzenten Jacky Dreksler und Hugo Egon Balder in ihrer satirischen, aber auch ernsthaften Analyse „Wunsch-Bullshit im Universum. Eine Kritik der Wunsch-Bestellungen im Universum“. GWUP-Pressesprecher Bernd Harder sprach mit den beiden. Das Interview erscheint in der nächsten Ausgabe des SKEPTIKER (plus Leseproben) und vorab hier im Weblog.

„Zwei Unterhaltungsfuzzis ziehen gegen die Esoterik in die Schlacht“, heißt es in einer Amazon-Kundenrezension zu Ihrem Buch „Wunsch-Bullshit im Universum“. Und: „Das gab’s so noch nicht in Deutschland.“ Wie kam es dazu?

Hugo Egon Balder: Mein Freund Jacky zeigte mir im April 2007 einen Artikel im Magazin Focus. Darin wurde die deutsche Ausgabe von Rhonda Byrnes Bestseller „The Secret – Das Geheimnis“ vorgestellt, eine DVD und ein Buch gleichen Inhalts aus dem Ratgeber-Genre. Die frohe Botschaft: Das Universum ist ein Versandhaus, das all deine Wünsche erfüllt. Sofort. Und garantiert. Ich sagte: „Schöner Mumpitz. Was ist daran so interessant?“

Jackys Antwort elektrisierte mich: „Rhonda ist Fernsehproduzentin – wie wir!“ Schon bei den Zitaten im Artikel hatten wir beide dann das Gefühl: Das ist Showbusiness im Gewand der Lebenshilfe. Als wir uns bei Amazon weitere Bestsellerautoren mit der gleichen Botschaft anschauten, hatten wir ein Erleuchtungserlebnis: Pierre Franckh ist Schauspieler, Bärbel Mohr war Videoproduzentin und Fotografin, der Co-Autor und Gatte von Esther Hicks, war Zirkusartist und Showman. Alles Leute aus dem Show-Business.

Die Autorenschaft allein sagt ja noch nichts über Qualität oder Wahrheitsgehalt aus.

Jacky Dreksler: Natürlich nicht. Aber für einen Anfangsverdacht reicht es. In unserem Business werden wir dafür bezahlt, die Wahrheit so zu manipulieren, dass Unterhaltung entsteht. Wir schneiden Lacher in unlustige Comedy-Acts, reduzieren differenzierte Experten-Aussagen auf Ein-Satz-Statements, lassen arme Würstchen von Schlagerstars zusammenscheißen, zeigen Ärsche, Titten und Tränen unter dem Vorwand einer Model-Show oder werfen dem Publikum in Freakshows fernsehgeile Debile zum Fraß vor – und das alles nach einer ausgeklügelten Dramaturgie. Wenn es dem Produkt nützt, zeigen wir dabei die Wahrheit, wenn nicht, lügen wir halt.

Hugo Egon Balder: Man nennt das auch Unterhaltung. Professor Harry G. Frankfurt hat solchen opportunistischen Umgang mit der Wahrheit als „Bullshit“ definiert. Wir Fernsehmacher produzieren in diesem Sinne ständig Bullshit. Das ist unser Job. Und er macht Spaß. Wir vermuten: Auch die Extrem-Wünscher arbeiten mit ähnlichen Mitteln wie wir.

Jacky Dreksler: James Randi, den wir sehr verehren, sagte einmal, dass zur Entlarvung von Scharlatanen Zauberkünstler viel besser geeignet sind als zum Beispiel Wissenschaftler. So ähnlich ist das bei uns: Wir sind Bullshit-Experten. Als Profis erkennen wir Bullshit oft sicherer als andere. Wie die Amerikaner sagen: „You can’t cheat a cheater.“

Ein Großteil der TV-Unterhaltung ist also „Bullshit“, vielleicht sogar Scharlatanerie, bekennen Sie hier frank und frei. Ist das nicht schlecht fürs Business?

Jacky Dreksler: Nein. In seinem Buch „Moral Minds“ sagte der Evolutionsbiologe Marc Hauser, dass der moralische Aspekt einer Handlung durch das Ziel bestimmt wird. Und da liegt der Unterschied.

Hugo Egon Balder: Die Menschen sind ja nicht blöd. Sie wissen, dass wir in einer Show auf ähnliche Weise tricksen wie zum Beispiel unsere nächsten Verwandten, die Zauberkünstler. Wer zu Copperfield geht, bezahlt viel Geld und sagt quasi: David, bitte belüg‘ und betrüg‘ mich in den nächsten zwei Stunden. Aber: Bei uns Show-Leuten ist das ein fairer Deal. Du gibst mir Zeit oder Geld – ich gebe dir Unterhaltung. Bei den Theorien der Extrem-Wünsching-Magier ist das kein fairer Deal. Du gibst ihnen Zeit und Geld – sie geben dir leere Hochglanz-Versprechungen und zugleich die Illusion absoluter Kontrolle über dich und das Universum.

Jacky Dreksler: Die Wunschtheorien versprechen: Du kannst Deine Probleme weg- und Millionen herbeiwünschen. Ohne Arbeit oder persönlichen Einsatz. Sie sprechen damit viele Menschen an, die verschuldet oder krank, depressiv oder verzweifelt sind. Und die bekommen dann Steine statt Brot, Bullshit statt Hilfe. Genau hier hört der Spaß für uns auf. Die Wunschtheorien stehlen den Menschen nicht nur Geld und Lebenszeit, sondern – wie, glaube ich, James Randi sagte – auch ihre Hoffung und ihre Würde.

Sie sagen, die Menschen seien nicht blöd. Wie schaffen die Extrem-Wünscher es trotzdem, den Lesern „leere Hochglanz-Versprechungen“ als Lebenshilfe unterzujubeln?

Hugo Egon Balder: Die Wünschelwichte verbergen ihre gefährliche Botschaft unter dem Schafspelz der Ratgeber- und Selbsthilfe-Literatur. Aber dort lauern Wölfe, die sich als allwissende Experten für sämtliche Probleme und Träume ausgeben: Liebesglück, ewige Gesundheit oder unendlicher Reichtum – nichts ist unmöglich: „Gedanken werden Dinge“ sagt Rhonda Byrne. „Alle Wünsche werden ohne Ausnahme sofort erfüllt“ verspricht Esther Hicks. Und Pierre Franckh kennt das Universum genau und behauptet: „Unmögliches wird sofort erledigt“. Verdammt, es sind Showpeople wie wir. Aber sie spielen sich auf, als wären sie Wahrsager, Magier und Schamanen, Psychotherapeuten, Ratgeberprofis und Priester in einer Person.

Jacky Dreksler: Und das Schlimmste ist: Den ganzen Mumpitz versuchen sie, mit der Quantenphysik zu beweisen. Dazu kehren sie klammheimlich den Hermes Trismegistos zugeschriebenen Satz „Wie oben, so unten“ um und behaupten: wie unten, so oben: Mit bizarren quantenphysikalischen Phänomenen im Mikroskopischen, etwa Energie-Transport, lassen sich angeblich bizarre Phänomene im Makroskopischen erklären und beweisen, zum Beispiel: „Gedankenstrahlen ziehen Gleiches an und materialisieren es.“

Und woher haben die Wunsch-Autoren ihre quantenphysikalischen Kenntnisse? Wird das irgendwo deutlich?

Hugo Egon Balder: Nein, das sagen sie nicht. Man hat das Gefühl, bei denen besteht Zitierverbot. Sie treten mit dem Anspruch auf, uralte magische Geheimnisse zu kennen und zugleich im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein.

Jacky Dreksler: Die Wünschelwichte servieren uns ihre Zaubersüppchen mit quantenphysikalischem Maggi, um sie auch für Wissenschaftsgläubige schmackhafter zu machen und schwurbeln von angeblich messbaren Gedankenfrequenzen, die wir als Wunschbestellungen ins Universum ausstrahlen, die dort dann durch das geheimnisvolle „Gesetz der Anziehung“ zu den erbetenen Dingen werden. Das ist doch alles Bullshit! Kein Esoteriker konnte je angeben, mit wie viel Furzillionen Hertz der Gedanke an Paris Hilton oszilliert.

Hugo Egon Balder: Und außerdem: Wer behauptet, Millionen zusammenwünschen zu können, wird sein Wissen wohl kaum mühsam in Büchern und Seminaren oder auf Wünschel-Kreuzfahrten verhökern.

Sie beide sind ein prominentes Beispiel dafür, dass man kein Wissenschaftler sein muss, um Unsinn als solchen zu erkennen. Warum glauben trotzdem so viele Leute an die „Wünschelwichte“, obwohl deren Behauptungen schon dem gesunden Menschenverstand zuwiderlaufen?

Jacky Dreksler: Sie schmeicheln uns! Aber Sie wissen besser als wir: Der gesunde Menschenverstand reicht zum Erkennen von Mumpitz leider nicht aus. Erstens lässt er sich leicht und gern betrügen – etwa von optischen Täuschungen, Schnaps oder rhetorischen Tricks. Zweitens ist Wissenschaft oft kontra-intuitiv, denken Sie an das heliozentrische Modell oder die Quantentheorie. Und drittens ist die Formulierung „gesunder Menschenverstand“ eine Leerformel: Wer die Dinge sieht wie ich, besitzt natürlich „gesunden Menschenverstand“. Wer weniger erkennen kann, als ich sehe, ist eine debile Dumpfbacke; wer Komplexeres sieht, ist ein intellektueller Wichser. Der Glaubwürdigkeit tut eine kontra-intuitive Komponente keinen Abbruch. Im Gegenteil: Der Anthropologe Pascal Boyer hat in „Religion Explained“ sehr schön gezeigt, dass viele Menschen an übernatürliche Konzepte und Wesenheiten glauben – nicht obwohl, sondern weil sie kontra-intuitiv sind.

Dann gleich noch eine Schmeichelei, wenn Sie so wollen: Es ist ziemlich selten, dass die Autoren von esoterikkritischen Büchern nicht nur gute Argumente bringen, sondern zugleich auch den Zynismus und die Egozentrik der Esoterik entlarven.

Hugo Egon Balder: Entlarven ist ein großes Wort. Eigentlich können das nur Fachleute; und wir haben weder Ahnung von Physik oder Philosophie, noch von Theologie oder Esoterik. Wir sind zwei alte Clowns aus dem Showbiz und benutzen die Waffen, die wir beherrschen – die Klatsche, die Wasserspritze und die Tröte. Nehmen wir Rhonda Byrnes Behauptung, dass Jesus Christus nicht nur ein Lehrer des Wohlstandes war, sondern auch selbst ein Millionär mit einem großzügigeren Lebensstil, als ihn viele heutige Reiche sich träumen lassen. Wenn Sie das schlüssig widerlegen wollen, müssen Sie Theologe oder Historiker sein. Wir machen es uns da einfacher und arbeiten mit Ironie und Satire und sagen etwa: Wie konnten die vier Evangelisten nur die hübsche Story vom neureichen Parvenü Jesus so falsch darstellen! Wissen wir nicht alle, dass Jesus juwelenbehangen auf dem Balkon seines Palastes stand und es später sich beim letzten Abend-Galadinner mit getrüffelten Wachtelbrüstchen an einer leichten Weincreme gut gehen ließ?

Jacky Dreksler: Indem wir Rhondas Behauptung ironisch ausmalen, verwenden wir im Grunde eine sehr weiche Form der reductio ad absurdum. Ironie ist oft wirksam und ökonomisch, aber natürlich kein echtes Argument. Jeder Wissenschaftler würde für so etwas zu Recht gerügt werden. Wir sind Clowns und können uns das leisten.

In den Leser-Rezensionen, zum Beispiel bei Amazon, sticht immer wieder die klassische Immunisierung der „Gläubigen“ hervor: Wer’s nicht versteht oder bei wem’s nicht funktioniert, der hat sich eben nicht genug damit beschäftigt. Was antworten Sie darauf?

Hugo Egon Balder: Nichts. Wir lassen dieses Argument mit edlem Gleichmut passieren und konzentrieren uns auf eine faire und tolerante Fortführung des Gesprächs. – Sorry, ich hab‘ gelogen: Wir ärgern uns maßlos über so viel intellektuelle Borniertheit.

Jacky Dreksler: Ich glaube, Hans Albert hat diese Form des doppelt verschanzten Dogmatismus bloßgelegt: Bei Fehlgläubigkeit sagen die Marxisten, man habe nicht das rechte Klassenbewusstsein; die Freudianer sagen, man habe einen erkenntnishemmenden Komplex, und die Katholiken sagen, man sei halt nicht im Stand der selig machenden Gnade. Die Wünschelwichte haben diese Immunisierungsstrategie mit einem Schuss Pop-Hinduismus optimiert. Und das geht etwa so: Du bist ein schöpfender Gott. Wie jeder Gott kannst Du erschaffen, was du willst. Wenn du einen goldenen Antipiuckenoszillator willst, dann bekommst du auch einen. Und nun der logische Purzelbaum: Wenn Du keinen bekommst, dann wolltest Du auch keinen. So einfach geht das.

Sie haben eingangs dargelegt, dass die „Wünschelwichte“ aus dem Show-Geschäft kommen. Vom „Eso-Spleen“ und den Gurus diverser Hollywood- und anderer Stars ist häufig zu lesen. Sind Künstler besonders anfällig für esoterische Verheißungen?

Hugo Egon Balder: Leider ja. Es gibt zwei Gründe. Erstens: Es gibt nur wenige Jobs auf dieser Welt, mit denen du in relativ kurzer Zeit reich, berühmt, bekannt, beliebt und bewundert wirst, auch wenn du Probleme mit Wörtern bekommst, die mehr als drei Silben haben. Selbst der größte Volldepp wird plötzlich in Talkshows eingeladen und darf seinen Senf zu politischen, gesellschaftlichen oder psychologischen Würstchen geben. Das ist eine einmalige Aufstiegschance. Entsprechend groß ist die Konkurrenz; entsprechend gnadenlos ist der Konkurrenzkampf. Diesen Stress ertragen viele besser, wenn sie das Gefühl der Kontrolle über sich und das Universum haben. Die Wünschelwichte sind hier hervorragende Gurus mit einem wundervoll einfachen Konzept.

Zweitens: Wenn du ein Star bist, hast du plötzlich Macht über andere Menschen. Die Menschen haben einerseits Angst vor deiner Macht, andererseits wollen sie einfach besonders nett zu dir sein. Die Folge ist immer gleich: Nach einer Weile stellst du fest: Ich hab immer Recht. Was ich sage, geschieht. Ich werde wie ein Gott behandelt. Da kommt eine Theorie, die dir auf spirituelle Weise bestätigt, dass du Gott persönlich bist, gerade recht.

Wieso haben die „Wünschelwichte“ Ihr Anti-Wünschelwichte-Buch noch nicht weggewünscht?

Jacky Dreksler: Gute Frage. Vielleicht reichen dazu ihre magischen Kräfte nicht aus. Schauen Sie sich doch mal an, welche Belege für erfolgreiche Wunsch-Wunder uns die Wünschelwichte vorlegen. In fünf Büchern haben wir insgesamt 45 Wunder gefunden, alle vom Kaliber: Pierre Franckh wünscht sich ganz doll große Zimmerpflanzen und bekommt sie, Bärbel Mohr wünscht sich intensiv den schnellsten Trockner in der Wäscherei und bekommen ihn, eine Mitarbeiterin in Rhonda Byrnes australischem Büro wünscht sich ganz doll, in den USA zu arbeiten. Sie bekommt den Job – in Rhondas USA-Büro. Ach, noch was: Sie ist Rhondas Schwester.

Hugo Egon Balder: Solchen Mumpitz erzählen sie uns mit strahlenden Augen als Beweis für das Gesetz der Anziehung „in all seiner Herrlichkeit“. Wir nennen sowas Tante-Emma-Wunder. Gleichzeitig behaupten sie, alles sei möglich, denn das Gesetz der Anziehung sei das mächtigste und unfehlbare Naturgesetz im Universum. Wenn ich im Besitz einer solchen Macht wäre, würde ich Südostasien und den angrenzenden Atlantik kaufen!

Sie meinen den Pazifik …

Jacky Dreksler: Nein, den Atlantik, Herr Dr. Harder! Wenn ich das mächtigste Gesetz im Universum hinter mir weiß, kann ich mir den verdammten Atlantik hinwünschen, wo ich verdammt nochmal will.

Zurück zum Fernsehgeschäft: Im „Skeptical Inquirer“ stand mal zu lesen, eine gute, erfolgreiche skeptische Fernsehsendung müsste schon von Pamela Anderson im Bikini moderiert werden. Wie sehen Sie das als TV-Profis?

Hugo Egon Balder: Sie müssen sich schon entscheiden: entweder gut oder erfolgreich.

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Autor: Stefan Kirsch

Stefan Kirsch: Diplom-Germanist und Redakteur, aktiv in der GWUP seit 2000. Studium der Germanistik, Journalistik, Philosophie und Psychologie an der Universität Bamberg, Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband (djv). Beruflich ist er in der Unternehmenskommunikation eines deutschen Technologie-Konzerns tätig.

5 Kommentare

  1. Leute, ihr wisst nicht, wie WERTVOLL Eure Aufklärungsarbeit ist, weiter so, bevor es weit und breit pathogene Züge des „Positiv“-Denkertums gibt.

  2. @Daniel Haefke:

    Verbindlichsten Dank.

  3. Kompliment zu diesem Interview.

    Bisher machte ich beim fernsehschauen einen großen Bogen um die Sendungen mit Hugo Egon Balder. Nach dem Lesen des Interviews habe ich eine ganz andere Meinung zu Hugo Egon Balder…

  4. @Pierre Castell:

    Ich denke, wer so selbstironisch auftreten kann wie Herr Balder bei „Pastewka“, verdient Respekt.

  5. Es gibt das Buch in einer überarbeiteten Auflage von 2019. Ich werde es beim Buchhändler meines Vertrauens bestellen. :)

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