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Buchtipp: „Geschichte der Naturheilkunde“

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Wasser, Fasten, Luft und Licht – die Geschichte der Naturheilkunde in Deutschland: Auf über 300 Seiten zeichnet der Arzt und Historiker Dr. Uwe Heyll fast zwei Jahrhunderte Naturheilkunde nach: von der anfänglichen Vision eines gesunden, naturgemäßen Lebens bis ins neue Jahrtausend. Dr. Barbara Burkhard, Fachärztin für Innere Medizin, hat das Buch für die SKEPTIKER-Redaktion gelesen. Eine Zusammenfassung ihrer Rezension, die vollständig im SKEPTIKER 2/08 Mitte Juni erscheint, finden Sie hier vorab im Blog:

Was mit den „Gräfenberger Wasserkuren“ des Bauern Vincenz Prießnitz begann, wurde im 19. Jahrhundert zu einer einflussreichen Bewegung: Naturgemäßes Leben ist gesund, Zivilisation macht krank, so der Grundsatz. Behandelt wurde mit Licht, Luft, Wasser, Kälte, Wärme, Bewegung und Nahrung. An Stelle von Ärzten kümmerten sich Laien um die Kranken. Arzneien lehnte die Naturheilkunde ebenso ab wie technische Apparate.

Umso wichtiger war den Anhängern Vorbeugung durch Genügsamkeit, Abhärtung und Verzicht auf Genussmittel. Aber als die Lehre ihre Versprechen nicht einlöste, schlug auch in der Naturheilkunde die Stunde der Ärzte und Apparate, wie der Autor zeigt. Hoffnung setzte die Szene auch auf die „biologische Medizin“. Die Anhänger zogen Aderlass und Schröpfköpfe aus der Mottekiste der Medizingeschichte und befragten auch schon mal das Pendel.

Eugenischen Ideen war die Szene ebenfalls zugeneigt, so Heyll: „Daher war es nicht erstaunlich, dass weite Teile der Naturheilbewegung die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler begrüßten.“ Der Medizinhistoriker dokumentiert auch die Position des homöopathischen Arztes Karl Kötschau, der die „Reichsarbeitsgemeinschaft für eine Neue Deutsche Heilkunde“ leitete. Kötschau bekannte sich nachdrücklich zum „Ausleseprinzip der Natur“, im Klartext: Schluss mit dem Fürsorgegedanken! NS-Ideologie und biologische Medizin waren eins für den Arzt, der in beiden „das ganzheitliche Denken und die Ablehnung mechanistischer Erklärungen“ fand.

Kötschau war nicht der einzige Naturheilkundler, der nach 1945 nahtlos an seine Karriere anknüpfte. Dies zeigt Heyll ebenso klar wie die Kontinuität vieler theoretischer Standpunkte. SKEPTIKER-Rezensentin Barbara Burkhard kann da nur zustimmen: Sachbezogene Kritik sei in der Naturheilkunde auch heute alles andere als willkommen.

Ihr Fazit zum Buch: „Der flüssige Stil und die anschauliche Darstellung im historischen und soziokulturellen Kontext machen das Buch zu einer spannenden, nie ermüdenden Lektüre.“

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Autor: Stefan Kirsch

Stefan Kirsch: Diplom-Germanist und Redakteur, aktiv in der GWUP seit 2000. Studium der Germanistik, Journalistik, Philosophie und Psychologie an der Universität Bamberg, Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband (djv). Beruflich ist er in der Unternehmenskommunikation eines deutschen Technologie-Konzerns tätig.

Ein Kommentar

  1. Nachdem ein großer Teil meines Umfeldes der Naturheilkunde sehr zugetan ist und sich immer mehr den naturheilkundlichen Verfahren in der Heilung verschrieben hat, habe auch ich damit begonnen, mich mehr mit diesem Thema zu beschäftigen. Mein Einstieg erfolgte über das Buch „Geschichte der Naturheilkunde“, was ich jedem nur empfehlen kann. Es ist sehr informativ und man hat auch nicht das Gefühl, dass der Autor voreingenommen ist und nur für die Naturheilkunde werben will.

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